Antrag
07.05.2025
Evidenz statt Placebo: Unser Antrag für eine wissenschaftsbasierte Gesundheitsversorgung
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) basiert auf Solidarität. Damit alle Versicherten bestmöglich versorgt werden, müssen ihre knappen Mittel dort eingesetzt werden, wo sie nachweislich wirken. Leistungen ohne wissenschaftlich belegten Nutzen dürfen nicht länger aus Mitteln der Solidargemeinschaft bezahlt werden.
Deshalb habe ich auf meine Initiative hin in meinem Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen Tempelhof-Schöneberg einen Antrag eingebracht, der nun beim nächsten Bundesparteitag zur Abstimmung gestellt werden soll.
Hier der vollständige Antragstext:
Antragstext
Als Bündnis 90/Die Grünen Tempelhof-Schöneberg beschließen wir folgenden Antrag auf der nächstmöglichen Bundesdelegiertenkonferenz einzubringen:
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich für eine konsequent evidenzbasierte Ausrichtung der gesetzlichen Krankenversicherung ein. Leistungen der Solidargemeinschaft sollen sich am nachweisbaren medizinischen Nutzen orientieren und dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung gerecht, effizient und zukunftsfest zu gestalten.
Daher fordern wir:
Keine Erstattung homöopathischer Behandlungen und Präparate durch die gesetzlichen Krankenkassen. Die Solidargemeinschaft soll nicht für Therapien aufkommen, deren Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus wissenschaftlich nicht belegt ist. Die durch Kostenerstattung suggerierte Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln und Irreführung von Patient:innen muss beendet werden.
Klare Trennung zwischen Homöopathie und Phytotherapie. Während für pflanzliche Arzneimittel vielfach Evidenz für die Wirksamkeit vorliegt, fehlt diese für homöopathische und anthroposophische Präparate weitgehend. Der bislang geltende Binnenkonsens muss überarbeitet werden.
Gezielte Investition der freiwerdenden Ressourcen in:
wissenschaftsbasierte Gesundheitsförderung,
bedarfsorientierte und evidenzgeleitete Versorgungssteuerung,
Stärkung der Gesundheitsberufe,
Präventionsansätze, die Umwelt, Klima und Gesundheit zusammendenken.
Unser Ziel ist es, die Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung so einzusetzen, dass sie den größtmöglichen gesundheitlichen Nutzen für alle Versicherten bringen. Gleichzeitig respektieren wir die Patient*innenautonomie: Wer alternative Methoden wie Homöopathie nutzen möchte, kann dies weiterhin privat tun. Die Mittel der GKVen jedoch müssen evidenzbasiert und solidarisch verwendet werden.
Begründung
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) beruht auf dem Prinzip der Solidarität. Damit alle Versicherten bestmöglich versorgt werden können, ist es notwendig, die knappen Mittel dort einzusetzen, wo sie den größten gesundheitlichen Nutzen entfalten. Voraussetzung dafür ist eine klare Orientierung an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Leistungen der GKV sollten deshalb grundsätzlich evidenzbasiert sein. Therapien, deren Wirksamkeit nicht belegt ist, dürfen nicht mit öffentlichen Mitteln finanziert werden.
Für homöopathische Behandlungen und Präparate konnte bislang keine belastbare Evidenz für eine über den Placeboeffekt hinausgehende Wirksamkeit nachgewiesen werden. Zahlreiche nationale und internationale wissenschaftliche Studien und Übersichtsarbeiten belegen dies. Auch Fachgremien wie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), die Bundesärztekammer sowie der europäische Wissenschaftsrat EASAC kommen zu dem Schluss, dass Homöopathie keine spezifische therapeutische Wirksamkeit besitzt.
Dennoch übernehmen Krankenkassen im Rahmen von Zusatzleistungen teilweise noch die Kosten für homöopathische Behandlungen. Dies ist nicht mehr zeitgemäß und widerspricht dem Ziel einer auf nachweisbare Wirksamkeit gestützten Versorgung. Viele Länder (z. B. Großbritannien, Australien, Frankreich) haben die Erstattung homöopathischer Mittel bereits eingeschränkt, beendet oder planen dies – mit Verweis auf mangelnde Evidenz.
Die oft geäußerte Argumentation, die Kosten homöopathischer Leistungen seien marginal, greift zu kurz. Es geht nicht nur um finanzielle Ressourcen, sondern um die Vorbildfunktion der GKV. Wenn sie Leistungen erstattet, die wissenschaftlich nicht belegt sind, sendet sie ein falsches Signal an Patient*innen. Gerade bei ernsten Erkrankungen kann dies zu einer Verzögerung wirksamer Behandlungen führen und damit Patientensicherheit gefährden.
Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen Homöopathie und Phytotherapie. Während homöopathische Mittel meist keine nachweisbaren Wirkstoffmengen mehr enthalten, handelt es sich bei Phytopharmaka um pflanzliche Arzneimittel mit pharmakologisch aktiven Substanzen. Für viele dieser Präparate liegt eine klinische Evidenz vor, die ihre Wirksamkeit bei bestimmten Indikationen belegt. Phytotherapie ist daher ein anerkannter Bestandteil der evidenzbasierten Medizin. Homöopathie und Phytotherapie werden im Alltag jedoch oft vermischt wahrgenommen. Umso wichtiger ist es, die wissenschaftlich begründete Phytotherapie zu stärken und klar von der Homöopathie abzugrenzen.
Es ist irreführend und widerspricht dem Ziel einer gesundheitlich aufgeklärten Gesellschaft, dass die Kassenerstattung von homöopathischen Mitteln vielen Menschen suggeriert, dass Homöopathie eine wissenschaftlich anerkannte und wirksame Therapie sei – was sie nicht ist.
Die freiwerdenden Mittel sollen nicht einfach eingespart, sondern gezielt in wirksame Bereiche reinvestiert werden. Es bleibt selbstverständlich möglich, Homöopathie privat zu nutzen. Wer davon überzeugt ist, kann dies weiterhin selbst bezahlen. Die Finanzierung aus Solidarmitteln jedoch ist nicht gerechtfertigt.
Warum mir das wichtig ist
Dieser Antrag ist für mich ein Beispiel dafür, wie wir als Grüne Politik machen: wissenschaftsbasiert, solidarisch und zukunftsorientiert. Die Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung gehören dorthin, wo sie nachweislich Leben verbessern und retten können. Wir müssen die Patientensicherheit stärken, die Gesundheitsberufe entlasten und Prävention ernst nehmen – statt weiter Geld in Placebos zu stecken.
Ich freue mich, dass mein Kreisverband Tempelhof-Schöneberg diesen Antrag auf meine Initiative hin beschlossen hat. Jetzt wollen wir ihn auf die Bühne der Bundespolitik bringen – bei der nächsten Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen.

